Mit der Industrialisierung drohte Berlin gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus allen Nähten zu platzen. In den überfüllten Arbeiterquartieren breiteten sich immer wieder Seuchen aus. Deshalb beschloss der Berliner Asylverein kurz vor der Jahrhundertwende, in der Wiesenstraße ein Heim für Obdachlose und Bedürftige zu bauen. Mit ihrem 112 Meter tiefen Brunnen und eigener Stromerzeugung war die Einrichtung autark. Sie bot 700 Männern und ab 1907 auch 400 Frauen einen warmen und sauberen Schlafplatz mit höchsten Hygienestandards. Moderne Metallbetten gehörten ebenso zur Ausstattung wie Bade-, Dusch- und Desinfektionsmöglichkeiten und sogar eine eigene Wäscherei. Es waren die Bewohner selbst, die das 12.000-Quadratmeter-Gelände bald „Wiesenburg“ tauften. Zwar geriet der Asylverein zu Zeiten des Ersten Weltkriegs finanziell in Bedrängnis, aber das endgültige Aus kam erst 1933. Die Nationalsozialisten schlossen das damals von der jüdischen Gemeinde betriebene Asyl und nutzten die Gebäude für die Produktion von Parteifahnen und Rüstungsgütern. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Wiesenburg schwer beschädigt und nie wieder aufgebaut.
Der Ort zog Künstler und Intellektuelle für Milieustudien an und bot manchen von Ihnen auch in Zeiten der Not ein Dach über dem Kopf. Darunter Kurt Tucholsky, Rosa Luxemburg, Erich Kästner, Hans Fallada, Heinrich Zille und Wilhelm Voigt alias „Der Hauptmann von Köpenick“. Fritz Lang drehte 1931 Szenen seines berühmten Films „M“ in der Wiesenburg. Und auch nach ihrer teilweisen Zerstörung diente sie als Filmkulisse, etwa für Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ (1979) und Rainer Werner Fassbinders „Lili Marleen“ (1981). In der Folge wurde das Gelände als Ort der Kultur wiedergeboren.
Heute wohnen Menschen in der Wiesenburg, andere haben hier ihre Ateliers, Studios oder Werkstätten, es gibt Feste und Veranstaltungen. Der gemeinnützige Verein Die Wiesenburg e. V. verbindet ganz im Sinne der Geschichte dieses Orts Kreativität mit sozialer Verantwortung. Informieren Sie sich auf der Website des Vereins über das Angebot an Führungen in deutscher und englischer Sprache.